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Von oben herab
Mein Tag im Rollstuhl
Am Fachseminar für Altenpflege in Geseke gibt es das sogenannte Rollstuhlprojekt. Jeder Kursteilnehmer verbbringt dabei einen ganzen Tag im Rollstuhl. Gestern war ich an der Reihe. Als ich in die Schule kam, setzte ich mich direkt in den Rollstuhl. Bereits nach wenigen Minuten fühlte ich mich hilflos, abgegrenzt von meiner Außenwelt. Schon die kleinsten Aufgaben, wie eine Tür öffnen, zu meinem Platz im Kursraum zu gelangen, oder einfach nur zur Toilette zu „gehen“, erwiesen sich als richtig schwierig.
Als wir in der Pause draußen standen, fand ich es ziemlich unangenehm nicht auf Augenhöhe mit den anderen zu sein. Es war ein mulmiges Gefühl, als man mich auf die Hauptstraße schob und ein Auto kam. Den Rückweg ins Gebäude habe ich selber bewältigt und es war mehr als anstrengend. In der 45-minütigen Mittagspause sind wir zu viert zum Edeka. Die Passanten starrten mich mit mitleidigem Blick von oben heran an. Die jüngeren unter ihnen zeigten zwei Reaktionen. Die Einen schauten mich nur kurz an und dann schnell wieder weg, als schämten sie sich für mich. Die Anderen schenkten mir überhaupt keine Aufmerksamkeit, als wäre ich gar nicht da.
Im Laden habe ich mich sehr unwohl und noch hilfloser als zuvor gefühlt. Mein Selbstwertgefühl sank immer tiefer. Es war eine Qual an die Chipstüte im obersten Fach zu kommen. An der Kasse merkte ich dem Verkäufer seine Unsicherheit an und er versuchte mit einem Spruch wie:
„Na, aus dem Krankenhaus weggelaufen?“
sein Starren unauffälliger aussehen zu lassen. Bei der Bäckerei war die Glasscheibe so hoch, dass ich dahinter komplett verschwand. Die Verkäuferin war sehr nett und brachte mir mein bestelltes Brötchen und das Wechselgeld vor die Theke zu mir.
Zum Ende des Schulblocks wurde meine Stimmung immer schlechter und ich beneidete meine „laufenden“ Mitschüler. Die Beine kribbelten und ich bekam immer weniger Gespür in den Beinen. Sie waren einfach nur noch da, ohne Sinn. Nach einer gewissen Zeit fingen meine Beine dann an zu schmerzen.
Zu Beginn des Schultages ahnte ich nicht, wie schwierig es sein würde. Die Bewohner, die den ganzen Tag im Rollstuhl sitzen verdienen meine Hochachtung und meinen Respekt. Ich schätze, dass die Erfahrungen dieses Tages mir weiterhelfen werden. Als werdende Altenpflegerin hoffe ich, sie in meinem Berufsalltag sinnvoll einsetzen zu können.
Von: Katharina Biesenbaum
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